Bild Nürnberger Religionsgespräch 1525 – Bayerntag in Nürnberginfo Icon© Dr. Marianne Maubach

Neues aus dem Freundeskreis Nürnberger Religionsgespräch 1525 – Bayerntag in Nürnberg

Der Bayerntag des Freundeskreises ist eine Institution! Jedes Jahr wird er von einem örtlichen Freundeskreis organisiert und unter ein besonderes Thema gestellt. 2025 fiel die Wahl auf Nürnberg, doch dort gibt es schon seit längerem keinen Freundeskreis mehr. Eine Anfrage beim Reiseausschuss half weiter. Zwei Mitglieder erklärten sich bereit, die Planung für den Bayerntag in Nürnberg soz. „von außen“ zu übernehmen.

Das große Thema 2025 für Stadt und evangelische Kirche in Nürnberg ist zweifelsfrei: 500 Jahre Nürnberger Religionsgespräch, damals ein Schlüsselereignis für die Reformation und den umfangreichen gesellschaftlichen Wandel!

Mit fast 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern begann der Bayerntag an einem Juli-Samstag im Kapitelsaal des Sebalder Pfarrhofes bei Kaffee und Kuchen. Alles war vom freundlichen Personal des Cafés Maulbeere, einer Einrichtung der Gemeinde St. Sebald, perfekt hergerichtet. Nach den Begrüßungsworten von Akademiedirektor Pfarrer Udo Hahn führte Pfarrer Dr. Ekkehard Wohlleben (Leiter der Ev. Stadtakademie Nürnberg) mit seinem Vortrag „Geschichten zur Reformation in Nürnberg“ in die Thematik des Bayerntages ein. Schon die Jahre vor 1525 waren ähnlich unserer aktuellen Zeit voller Unruhe, von gravierenden gesellschaftlichen Umbrüchen, von reformatorischem Gedankengut und Bauernkriegen geprägt. Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern kam zur rechten Zeit, um die Thesen und Schriften Martin Luthers schnell zu verbreiten und einem größeren Kreis zugänglich zu machen. Die 95 Thesen wurden ins Deutsche übersetzt. Zwischen den Luther-Befürwortern, Freunden und ehemaligen Kollegen des Wittenbergers kam es umgehend zu engagierten Diskussionen und heftigen Auseinandersetzungen mit den Altgläubigen. Trotz kaiserlichen Disputationsverbotes fanden zwischen dem 3. und 14. März 1525 bei offenen Fenstern lautstarke Dispute im Großen Saal des Rathauses statt, die als Nürnberger Religionsgespräche in die Geschichte eingegangen sind. Am 15. März 1525 entschied der innere Rat der zweitgrößten Stadt in dem Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das wir heute Deutschland nennen, dass die Stadt ab sofort protestantisch sei und die neue Kirchenordnung verbindlich für alle Kirchen in der Stadt und Umgebung gelte. Eine Zäsur mit gravierenden Folgen: das Prozessions- und Ablasswesen veränderte sich stark, katholische Messen und Marienkult wurden verboten, die 7 Klöster innerhalb der Stadtmauern lösten sich auf bzw. durften keinen Nachwuchs aufnehmen, Kirchen- und Klostergut gingen an den Almosenkasten oder ins Bildungswesen. Die reformatorischen Ideen unterstützten allen voran Luthers Freund Philipp Melanchthon (Gründer des 1526 ersten Nürnberger Gymnasiums), der Theologe und Prediger Andreas Osiander, der Humanist, Jurist und Ratsherr Willibald Pirckheimer, aber auch der Maler Albrecht Dürer und der Schuster und Meistersinger Hans Sachs. Erst 1806 wurden Evangelische und Katholiken wieder gleichgestellt.

Schon vor der Reformation waren St. Sebald und St. Lorenz die beiden bedeutendsten Gemeinden, die 1525 offiziell evangelisch-lutherisch wurden. In zwei Gruppen führten uns die beiden Führerinnen, Frau Jantos und Frau Fuchs, unter dem besonderen Gesichtspunkt ‚Reformation‘ durch die Sebalduskirche. Sie ist die älteste Pfarrkirche Nürnbergs, begonnen im 13. Jh., im 14. Jh. im gotischen Stil erweitert. Erstaunlich ist das umfangreiche Inventar aus vorreformatorischer Zeit, denn es war üblich, dass Patrizierfamilien Skulpturen, Bilder, Fenster u.a. stifteten. Darunter fällt auch ein Sandsteinrelief mit Abendmahl, Ölberggebet und Judaskuss von Veit Stoß. Das Stiftungswesen wurde sogar später noch aufrechterhalten, nun unter lutherischen Vorzeichen. Die Kirche erhielt ihren Namen vom Heiligen Sebaldus, der im 8. Jh. als Einsiedler nahe Fürth lebte. Auf sagenhafte Weise kam sein Leichnam nach Nürnberg und wurde in der Vorgängerkirche von St. Sebald begraben. 1425 erreichten die Nürnberger in Rom eine Heiligsprechung, im 16. Jh. schuf Peter Vischer den prunkvollen bronzenen Schrein, der die Gebeine seither aufbewahrt. Ein Zeichen von Toleranz! Die Reliquien eines römisch-katholischen Heiligen behielten ihren Platz in einer evangelischen Kirche und noch heute kommen die Katholiken hier zusammen, um den Gedenktag am Grab des Heiligen Sebaldus feierlich zu begehen.

Herr Rudolf Wundling vom Verein Geschichte für Alle e.V. führte uns auf einem Rundgang vom Dürer Haus bis zur Lorenzkirche durch die Nürnberger Altstadt, unvergleichlich der mittelalterliche Charme, die Patrizierhäuser und Plätze mit Denkmälern von Martin Behaim, Hans Sachs, Philipp Melanchthon oder der große Hauptmarkt mit Frauenkirche und Schönem Brunnen. Heute ist es kaum vorstellbar, dass Nürnberg im 2. Weltkrieg zu fast 90% zerstört wurde, wobei vor allem die Altstadt so gut wie ausgelöscht war.

Nach dem Abendessen im Restaurant „Laurentius“, das von der Lorenz-Gemeinde betrieben und inklusiv geführt wird, besuchten wir ein Konzert in der herrlichen St. Lorenz-Kirche im Anblick des Englischen Grußes von Veit Stoß aus den Jahren 1517/18. Auf dem Programm stand von Felix Mendelssohn Bartholdy der Hymnus „Hör mein Bitten“ und die große Symphoniekantate „Lobgesang“. Zwei seltener aufgeführte, aber zutiefst eindrucksvolle Werke.

Am Sonntagmorgen trafen wir uns in der Lorenzkirche. Stadtdekan Dr. Jürgen Körnlein vom Evang.-Luth. Dekanat Nürnberg und Pfarrer Udo Hahn gestalteten den Hauptgottesdienst mit Abendmahl. Pfarrer Udo Hahn hielt die Predigt zu Lukas, Kapitel 6, 36-42, das mit den bekannten Worten beginnt: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben“. Worte, denen in unserer aufgewühlten Zeit eine besondere Bedeutung zukommt.

An den Gottesdienst schloss sich eine Führung durch die Lorenzkirche an. Da Nürnberg keinen Bildersturm erlebte, sind auch hier viele Kunstwerke aus vorreformatorischer Zeit zu sehen. Die hochinteressante und unglaublich lebhafte Führung des Theologen und Kirchenhistorikers Dr. Bernhard Schneider stand unter dem Titel „Das Lorenzer Dreigestirn der Reformation“, womit drei bedeutende Persönlichkeiten gemeint waren: Dr. Hector Pömer, ein Jurist, den der innere Rat der Stadt 1521 zum Probst von St. Lorenz berufen hatte – für ein solches Amt bedurfte es damals keines Theologiestudiums. Zusammen mit dem 1520 eingesetzten Propst von St. Sebald, Dr. Georg Pressler, ebenfalls ein Jurist, und dem von Dr. Pömer nach St. Lorenz geholten genialen Prediger Andreas Osiander war er ein konsequenter Verfechter der Reformation. In der Lorenzkirche erinnert ein Epitaph an Pömer, das in der Inschrift erklärt, man solle nach Ruhm in der Nachwelt streben, ein ganz anderer Ansatz als in der katholischen Kirche, wo typischerweise zum Gebet für das Seelenheil des Verstorbenen aufgefordert wird.

Die wichtigste Person in dem Dreigestirn war der Theologe Andreas Osiander. Schon sehr früh beschäftigten ihn die reformatorischen Gedanken, daneben war er ein ausgezeichneter Kenner des Judentums. Im Prinzip war er ein absolut modern denkender Mensch, fast ein Querdenker, der sich mit seiner kompromisslosen Einstellung viele Feinde machte und seine Stellung in St. Lorenz später sogar kündigte.

Der Dritte im Bunde war der Schuster und Meistersinger Hans Sachs. Er hatte sich lange nicht öffentlich geäußert, wohl aber die diversen Diskussionen und Schriften mitverfolgt. 1523 entschied er sich endlich für die Veröffentlichung seines Gedichtes „Die Wittenbergsche Nachtigall“, in dem er eindeutig Partei für Luther ergriff und ziemlich polemisch gegen die alte Kirche austeilte. Sachs‘ Vierzeiler in einem papstkritischen Buch von Osiander wurden als so gefährlich eingeschätzt, dass man das Buch konfiszierte und Sachs unter Androhung von Strafe mit den Worten „Schuster bleib bei deinem Leisten!“ verwarnte, wenn er weiterhin Gedichte schreibt. Trotzdem wurde Sachs mit über 6000 Stücken einer der bedeutendsten Dichter des 16. Jh., der viele Kirchenlieder verfasste, die leider schon bald, ja bis heute in Vergessenheit gerieten. In der Laurentiusorgel ist ein Spielwerk eingebaut, das im Bodenbereich ein Fenster öffnen kann, aus dem eine geschnitzte Hans-Sachs-Figur herausfährt und für einen kurzen Moment genau auf die gegenüberliegende Kanzel schaut. Zum Schluss machte uns Dr. Schneider noch auf einen evangelischen Beichtstuhl aufmerksam. Luther wollte die Beichte nicht abschaffen, es ging ihm nicht darum, in der Beichte seine Sünden zu bekennen, sondern vielmehr darum, Rechenschaft über seinen Glauben abzulegen.

500 Jahre Nürnberger Religionsgespräch – ein unerwartet spannendes, facettenreiches und in vieler Hinsicht aktuelles Thema! Wir lassen es im Kreuzigungshof des altehrwürdigen Heilig-Geist-Spitals bei einem typisch fränkischen Mahl ausklingen.

Eveline Kuthe
Sprecherin des Reiseausschusses

Dr. Marianne Maubach
Mitglied des Reiseausschusses