Bild „The West and the Rest“?  Tagung des Freundeskreises im Jubiläumssommerinfo Icon© eat-archiv

Neues aus dem Freundeskreis „The West and the Rest“? Tagung des Freundeskreises im Jubiläumssommer

Die Bildungsarbeit der Evangelischen Akademie Tutzing unterstützen: dafür gründeten Bürgerinnen und Bürger aus ganz Bayern vor 75 Jahren den Freundeskreis. Generationen später feiern in diesem Jahr die Freundinnen und Freunde der Akademie das Jubiläum ganz im Sinne der Vorstellungen der Gründungsmütter und -väter: sie tragen zum Bildungsangebot der Akademie bei. Im Jubiläumssommer 2024 standen deshalb gleich drei Tagungen unter Beteiligung des Freundeskreises auf der Agenda. Zwei fanden bereits statt. Im September folgt nun noch die Tagung „The West and the Rest“? – eine selbstkritische Standortbestimmung.

„Der Freundeskreis will die Arbeit der Evangelische Akademie Tutzing unterstützen.“ So steht es in der Satzung des Freundeskreises. Seit 75 Jahren erfüllt der Freundeskreis diesen selbst gestellten Auftrag: Die örtlichen Freundeskreise organisieren rund ums Jahr Vorträge und Diskussionsabende, bieten Kunst und Kultur und tragen damit die Bildungsidee der Akademie in jeden Winkel Bayerns. An der Seite der Akademie lädt der Freundeskreis zu Kanzelreden in der Münchner Erlöserkirche, zu Salons oder zu Wochenendtagungen ins Schloss Tutzing ein.

Das Jubiläumsjahr ist für den Freundeskreis ein besonderes Jahr – und so unterstützt er auch die Akademie in diesem Jahr besonders und wirkt an gleich drei Tagungen mit! Zwei fanden bereits statt: Im Mai trafen sich Wissenschaftler und Akteure der Zivilgesellschaft zur Tagung „Zivilgesellschaft macht Bildung“. Im Juni wurde die Literatur gefeiert: die Akademie vergab den Marie-Luise-Kaschnitz-Literaturpreis an die Schriftstellerin Anja Kampmann und der Freundeskreis hatte die Ehre und die Freude, die Tagung zu begleiten und die Preisverleihung finanziell zu unterstützen.

Aller guten Dinge sind drei, und so lädt der Freundeskreis gemeinsam mit der Akademie vom 20. bis 22. September zu einer dritten Tagung in diesem Jubiläumssommer ein. Auf ihr wird das lange Zeit geltende europäische Selbstverständnis vom vorbildhaften Westen kritisch hinterfragt.

Ausgangspunkt ist die imperial- kolonialistische Formel „The West and the Rest“. Diese Formel beschreibt die lange Zeit geltende duale koloniale Weltordnung, basierend auf einem europäischen Selbstverständnis von der westlichen Zivilisation als einer den nichteuropäischen und nicht-weißen Völkern überlegenen Zivilisation, vom europäischen Westen als der treibenden Kraft globaler Entwicklung und Modernität. Westliche Werte, Kultur, Religion und Institutionen sollten universale Geltung erhalten. Zahlreiche Bilder wie z.B. der Kupferstich von Jan van der Straet/Theodore Galle über die Begegnung des zivilisierten Vespucci mit der barbarischen Amerika von 1589 oder Slogans wie „The White Man’s Burden“ (Die Bürde des weißen Mannes) aus Rudyard Kiplings gleichnamigen Gedicht anlässlich der US-amerikanischen Eroberung der spanischen Kolonien Philippinen, Kuba und Puerto Rico Ende des 19. Jahrhunderts visualisieren bzw. benennen den im Rahmen von Kolonialismus und Imperialismus entstandenen westlichen Überlegenheitsanspruch und seine Zivilisierungsmission, die jedoch gleichzeitig Zerstörung und Ausbeutung mit sich brachten.

Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Die koloniale Epoche endete ca. 1960, als die meisten der kolonisierten Nationen in die staatliche Unabhängigkeit entlassen waren. Bedeutete aber die Loslösung der Kolonien von den Kolonialmächten wirklich die Abschaffung des Kolonialismus? Ein Blick auf dessen Auswirkungen auf Gesellschaft und Kultur in den Kolonien einerseits und auf die wirtschaftliche Entwicklung der Kolonialländer andererseits, d.h. auf die nachkoloniale Weltsituation zeigt, dass ein westlicher Anspruch, führende Ordnungsmacht zu sein, und eine westliche Dominanz weiter bestehen. Deshalb kritisieren ehemals kolonisierte Länder, neuerdings als „Globaler Süden“ bezeichnet, den „Westen“, nun auch „Globaler Norden“ genannt, und fordern Ent- oder Dekolonisierung.

Auf der Tagung wird die Expertise von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus ganz unterschiedlichen Fachgebieten genutzt, um mit ihnen die Fragen zu diskutieren, die sich aus dem Tagungsthema ergeben: Worin müssten sich Veränderungen der westlichen kolonialen Wahrnehmungs- und Handlungsschemata äußern?  Wie wichtig ist es, die negativen Auswirkungen des Kolonialismus auf außereuropäische Kulturen und Gesellschaften sowie auch die Widersprüchlichkeit in der europäischen Zivilisationsrhetorik überhaupt anzuerkennen? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Politik und Wirtschaft z.B. durch Relativierung der europäischen Kultur als Maßstab oder eine gerechtere Ressourcenverteilung und Partizipation in internationalen Gremien? Wie erforderlich ist – auch angesichts neuer Ordnungsmächte  ̶  eine selbstkritische Neupositionierung des Westens? Würden dadurch universale westliche Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie als Orientierungskonzept obsolet werden müssen?

Der Freundeskreis und die Akademie laden Sie herzlich ein mitzudiskutieren, wie das alte duale Weltbild sowie das Denken in Abgrenzungen, Ausschlüssen und Gegnerschaften abgebaut werden können.  Ein Konzert im Musiksaal präsentiert lateinamerikanische Musik, Spiegel der vielfältigen Kulturen Lateinamerikas und Ergebnis gegenseitiger Beeinflussungen.

 

Brigitte Grande
Prof. Dr. Hans-Joachim König

 

Hier können Sie sich zur Tagung anmelden.